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08. Juni 2021

«Im Verein hat ein Umdenken stattgefunden»

Conny Blaser-Kunz und Patrick Roggli trainieren seit eineinhalb Jahren zusammen im kantonalen Berner Nachwuchskader. Die 45-jährige Trainerin aus Noflen und der 18-jährige Pistolenschütze aus Uttigen reden im Interview über ihre gemeinsame Faszination am Schiessen, über Lektionen fürs Leben und darüber, warum der Verein manchmal fast wie eine zweite Familie ist.


Patrick, wie bist du zum Schiessen gekommen? 
Patrick: Ein Klassenkamerad hat mich vor 5 Jahren dazu eingeladen, das Schiessen auszuprobieren. Sein Vater war Trainer im benachbarten Uetendorf. Der Sport hat mir sofort gefallen. Und ich war auch gar nicht so schlecht darin! Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich eigentlich immer Fussball gespielt. 


Hast du das Fussballtraining dann sofort aufgegeben? 
Patrick: Nein, ich habe noch ein halbes Jahr lang beide Sportarten trainiert. Aber dann wurde es mir zu viel, und ich habe meine Fussballschuhe an den Nagel gehängt. Ich war aber auch nicht der Einzige, der den Sport gewechselt hat: Das Schiessen hat gleich mehrere Jungs und Mädchen aus meiner Klasse so sehr fasziniert, dass sie sofort damit angefangen haben.


Conny, du warst in einem ähnlichen Alter, als du mit dem Schiessen angefangen hast. Wie kam das? 
Conny: Ich bin über meinen Vater dazu gekommen, da war ich 13 Jahre alt. Er hat die Nachwuchsausbildung im Oberaargau mitaufgebaut und so den Schiesssport geprägt. Schiessen war in unserer Familie eigentlich Männersache. Als an einem vereinsinternen Wettkampf eine Frau gefehlt hat, durfte ich mitmachen und habe mit meinem Partner gleich vorne in der Rangliste mitgemischt. Von da an durfte ich mit zum Schiesstraining.


Dann hast du das Schiessen also von deinem Vater gelernt? 
Conny: Ja, in den ersten Jahren war mein Vater mein Trainer.


Du warst in deiner Sportart lange das einzige Mädchen im Verein. Wie fanden das die Männer?
Conny: Ich glaube, die fanden das gut! Ich habe jedenfalls in meiner ganzen Karriere nie einen blöden Spruch gehört und wurde immer ernst genommen. Sowohl als 13-jährige Schützin als auch jetzt als Trainerin des Berner Nachwuchskaders.

Patrick: Wieso sollte Schiessen denn eine Männersportart sein? Im Nachwuchskader sind wir gleich viele Frauen wie Männer. Und die Mädchen, die ich kenne, sind genauso gut wie wir Jungs.



«Wieso sollte Schiessen eine Männersportart sein?»
Patrick Roggli



Das Vorurteil vom «verstaubten Schützenverein», wo Männer das Sagen haben, ist also falsch?
Conny: Ja, absolut. Ich würde sogar sagen, dass die Frauen und Männer im Schiesssport toleranter sind als in anderen Sportarten. In meiner aktiven Zeit war der Verein für mich wie eine zweite Familie: man kennt sich gut und hilft einander auch privat, wenn es jemandem mal schlecht geht. 

Patrick: Gut finde ich auch, dass man finanziell entlastet und so sportlich unterstützt wird. Ich musste zum Beispiel noch nie eine Pistole kaufen, sondern konnte immer eine vom Verein ausleihen. So hat man auch bereits in jungen Jahren die Möglichkeit den Schiesssport auszuprobieren, ohne direkt viel Geld zu investieren.


Was kann man vom Schiessen fürs Leben lernen?
Patrick: Die Kontrolle der Gedanken. Bevor ich an einem Wettkampf einen Schuss abfeuere, habe ich den gesamten Ablauf im Kopf schon mehrmals durchgespielt. Ich atme tief durch und nehme mir Zeit. So bin ich im entscheidenden Moment ruhig und mit dem Kopf komplett bei der Sache. Diese Ruhe hilft mir auch bei meiner Arbeit als Zimmermann. Ich visualisiere alle Arbeitsschritte, bevor ich etwas anzeichne oder säge.
Ausserdem habe ich beim Schiessen durch die gezielte Gedankenkontrolle gelernt abzuschalten und für einen kurzen Moment alles um mich herum zu vergessen. Da habe ich mir auch viel von Conny abschauen können. Allgemein habe ich das Gefühl, dass man sich beim Schiessen intensiv mit sich selbst auseinandersetzen muss und so auch über sich hinauswachsen kann.

Conny: Ich erlebe immer wieder, dass das Schiessen die Konzentrationsfähigkeit verbessert. Zappelige Kinder, die auch in der Schule nur für wenige Minuten ruhigsitzen können, sind dank des Schiessens plötzlich in der Lage, eine halbe Stunde lang konzentriert Matheaufgaben zu lösen. Nicht selten sind da auch die Eltern positiv überrascht. Ich trainiere diese Ruhe und Konzentration auch ganz bewusst, schon mit den Jüngsten. Wir setzen uns dann zum Beispiel vor einen tropfenden Wasserhahn und beobachten die Tropfen ganz genau. Dann schliessen die jungen Athletinnen und Athleten ihre Augen und stellen sich vor, wie der Hahn weitertropft. Sie visualisieren den Ablauf. 



«Ruhe und Konzentration trainiere ich schon mit den Jüngsten.»
Conny Blaser-Kunz



Gibt es im Vereinsleben denn auch negative Einflüsse für Kinder und Jugendliche?
Conny: In den letzten Jahren hat sich da viel verändert, sicher auch dank der Unterstützung von «cool and clean». Die «cool and clean»-App zum Beispiel finde ich sensationell! Ich entdecke da immer wertvolle Hilfsmittel, um die Jugendlichen auf der sportlichen und menschlichen Ebene zu fördern. Die Spielformen zum Thema «Ziele erreichen» oder zu den Lebenskompetenzen brauche ich oft. Ausserdem hilft mir die App, Themen wie Alkohol und Tabak mit den Jugendlichen anzusprechen.
Zur Zeit meines Vaters war es noch gang und gäbe, nach dem Schiessen Bier zu trinken. Auch die Zigarette oder der Schnupf waren im Schiessstand immer in Griffnähe. Heute ist spürbar, dass hier ein Umdenken stattgefunden hat. Wir Älteren wissen, dass wir für die Jüngeren Vorbilder sind.

Patrick: Ich sehe nie Alkohol nach den Trainings. Das gehört irgendwie nicht dazu. Wir trinken höchstens mal ein Alkoholfreies. Bei uns im Verein gibt es auch nur wenige, die rauchen oder schnupfen. Aber ich kann mich da gut raushalten. Wenn jemand mit mir schnupfen möchte, kann ich ohne Problem Nein sagen.


Patrick, was möchtest du mit Connys Hilfe im Sport erreichen?
Patrick: Ich freue mich darüber, dass ich die Qualifikation für die Europameisterschaften in Kroatien geschafft habe. Darauf habe ich hingearbeitet. Was danach kommt, weiss ich noch nicht. Da lebe ich Tag für Tag.




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